Ich verlasse diese muffige Idiotenbude und stelle fest, die Nacht hat sich bereits über diese Welt ergossen. Ich trotte langsam los. Jedes Gelenk schmerzt, das Öl in meinen Gliedern ist längst vertrocknet und mir fehlt die Kraft, irgendeine Form von Ästhetik in meine Bewegungen zu bringen. Die Anderen respektieren mich noch ob meiner früheren Taten. Von Bewunderung ist dennoch längst keine Spur mehr übrig. „Längst“! „Längst“ und „Früher“, diese schadenfrohen und bissigen Worte lassen mich nicht mehr los. Ach, wie sehr verabscheue ich das Alter?! Miiaau! Wer ist denn das? „Leute, macht die Bahn frei! Columbo ist auf dem Weg!“ Schmerzhaftes Gelächter entflieht meiner Schnautze, vorbei an den letzten Zähnen, die ich noch im Maul habe. Ich lache so stark, dass ich sabbern muss. Der Trenchcoat-Mensch da vorn hat wohl eine „Fährte“ aufgenommen. Ich krieg mich nicht mehr ein bei diesem Anblick. Ich bekomme ‘ne Hustenattacke und – spucke Blut. Scheiße. Ich schleife meinen Körper weiter die Straße entlang. „Giovanni, Giovanni! Heee, Giovanni!“ Oh nein! Nein, nein, nein, tausendmal nein!“ „Jetzt warte doch mal Giovanni!“ Es ist Marta. Dieses trottelige Kuscheltier von einem Miezekätzchen fällt fast über seine eigenen Pfoten, als es auf mich zugetrampelt kommt. „Giovanni, ich habe heute dem alten Koch einen Fisch geklaut!“ „Wie hast du das denn gemacht?“, frage ich und klinge dabei fast so, als würde es mich interessieren. „Er hatte den Fisch in einem Sack, den er hinter seinem Restaurant kurz abstellen wollte. Ich habe seine Unaufmerksamkeit kaltblütig ausgenutzt und unbemerkt zugeschlagen.“ „Müll.“ „Was?“ „Das war Müll, Marta. Er hat den Sack nicht kurz abgestellt, sondern im Hinterhof entsorgt.“ „Oh.“ Wir gehen weiter, ohne ein Wort zu wechseln. Nach einer Weile bleibt Marta stehen und blickt nach unten. Ich drehe mich zu ihr: „Was ist?“ „Es…es war nur Müll“, jetzt fängt sie auch noch an zu weinen, „und ich dachte, es sei richtige Beute, die nur ein echter Kater sich schnappen könnte. So ein Kater wie du es bist, Giovanni. Ich kenne alle deine Geschichten. Ich werde nie so sein wie du. Mutig und clever und verwegen, ein Schatten in der Nacht, ein Lichtblitz am Tag, so heißt es immer.“ „Mädchen, du bist mutig“, ich weiß gar nicht, was ich da tue, „du bist doch davon ausgegangen, dass der Koch den Fisch nur kurz dort abgelegt hatte und jeden Moment wiederkommen würde. Und trotzdem hast du dich getraut, den Müllbeutel zu zerreißen und den Fisch herauszuwühlen. Das war mutig.“ „Ehrlich? Findest du, ich bin mutig?“ „Aber ja! Und außerdem hast du jetzt einen Fisch. Das ist weit mehr Abendessen als die paar Kakerlaken, die ich vorhin zwischen den Containern gefunden habe.“ „Wieso isst du Kakerlaken, Giovanni?“ „Weil ich nicht mehr der bin, für den du mich hältst. Ich war es, aber ich bin es nicht mehr. Basta!“ So gehen wir weiter. Wir haben kein Ziel und mir ist auch nicht klar, warum die Kleine noch immer neben mir herläuft. Sie scheint in Gedanken zu sein. Meine Aufmunterungsversuche haben wohl nicht gewirkt. Sie scheint enttäuscht. Plötzlich bleibt sie wieder stehen. „Du, Giovanni?“ „Ja, Marta?“ „Du bist der größte Kater aller Zeiten!“ Mit diesen Worten dreht sie sich um, läuft los und verschwindet in einer Seitenstraße. Bene.
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