Konrad Korek

Aus dem Leben einer Legende

Tag: Schatten

Kapitel II – Teil 2: Die jungen Wilden

Ich verlasse diese muffige Idiotenbude und stelle fest, die Nacht hat sich bereits über diese Welt ergossen. Ich trotte langsam los. Jedes Gelenk schmerzt, das Öl in meinen Gliedern ist längst vertrocknet und mir fehlt die Kraft, irgendeine Form von Ästhetik in meine Bewegungen zu bringen. Die Anderen respektieren mich noch ob meiner früheren Taten. Von Bewunderung ist dennoch längst keine Spur mehr übrig. „Längst“! „Längst“ und „Früher“, diese schadenfrohen und bissigen Worte lassen mich nicht mehr los. Ach, wie sehr verabscheue ich das Alter?! Miiaau! Wer ist denn das? „Leute, macht die Bahn frei! Columbo ist auf dem Weg!“ Schmerzhaftes Gelächter entflieht meiner Schnautze, vorbei an den letzten Zähnen, die ich noch im Maul habe. Ich lache so stark, dass ich sabbern muss. Der Trenchcoat-Mensch da vorn hat wohl eine „Fährte“ aufgenommen. Ich krieg mich nicht mehr ein bei diesem Anblick. Ich bekomme ‘ne Hustenattacke und – spucke Blut. Scheiße. Ich schleife meinen Körper weiter die Straße entlang. „Giovanni, Giovanni! Heee, Giovanni!“ Oh nein! Nein, nein, nein, tausendmal nein!“ „Jetzt warte doch mal Giovanni!“ Es ist Marta. Dieses trottelige Kuscheltier von einem Miezekätzchen fällt fast über seine eigenen Pfoten, als es auf mich zugetrampelt kommt. „Giovanni, ich habe heute dem alten Koch einen Fisch geklaut!“ „Wie hast du das denn gemacht?“, frage ich und klinge dabei fast so, als würde es mich interessieren. „Er hatte den Fisch in einem Sack, den er hinter seinem Restaurant kurz abstellen wollte. Ich habe seine Unaufmerksamkeit kaltblütig ausgenutzt und unbemerkt zugeschlagen.“ „Müll.“ „Was?“ „Das war Müll, Marta. Er hat den Sack nicht kurz abgestellt, sondern im Hinterhof entsorgt.“ „Oh.“ Wir gehen weiter, ohne ein Wort zu wechseln. Nach einer Weile bleibt Marta stehen und blickt nach unten. Ich drehe mich zu ihr: „Was ist?“ „Es…es war nur Müll“, jetzt fängt sie auch noch an zu weinen, „und ich dachte, es sei richtige Beute, die nur ein echter Kater sich schnappen könnte. So ein Kater wie du es bist, Giovanni. Ich kenne alle deine Geschichten. Ich werde nie so sein wie du. Mutig und clever und verwegen, ein Schatten in der Nacht, ein Lichtblitz am Tag, so heißt es immer.“ „Mädchen, du bist mutig“, ich weiß gar nicht, was ich da tue, „du bist doch davon ausgegangen, dass der Koch den Fisch nur kurz dort abgelegt hatte und jeden Moment wiederkommen würde. Und trotzdem hast du dich getraut, den Müllbeutel zu zerreißen und den Fisch herauszuwühlen. Das war mutig.“ „Ehrlich? Findest du, ich bin mutig?“ „Aber ja! Und außerdem hast du jetzt einen Fisch. Das ist weit mehr Abendessen als die paar Kakerlaken, die ich vorhin zwischen den Containern gefunden habe.“ „Wieso isst du Kakerlaken, Giovanni?“ „Weil ich nicht mehr der bin, für den du mich hältst. Ich war es, aber ich bin es nicht mehr. Basta!“ So gehen wir weiter. Wir haben kein Ziel und mir ist auch nicht klar, warum die Kleine noch immer neben mir herläuft. Sie scheint in Gedanken zu sein. Meine Aufmunterungsversuche haben wohl nicht gewirkt. Sie scheint enttäuscht. Plötzlich bleibt sie wieder stehen. „Du, Giovanni?“ „Ja, Marta?“ „Du bist der größte Kater aller Zeiten!“ Mit diesen Worten dreht sie sich um, läuft los und verschwindet in einer Seitenstraße. Bene.

Kapitel I – Teil 3: Ja, die war zu

 

Zugegeben, ich machte das noch nicht so lange. Ich wusste aber, wie der Hase läuft. Seite 5 dieses wunderbar spannenden Krimis schien einige Analogien zu meinem aktuellen Fall zu enthalten, zu meinem neuen Fall, die Art von Fall,  die man lösen konnte, doch die nicht jeder zu lösen in der Lage wäre. Also – für mich sollte das kein Problem sein.

Da war diese Frau, attraktiv, verängstigt, blond. Sie fühlte sich verfolgt und ich war es, den sie erwählt hatte, der Wurzel ihrer Ängste auf den Zahn zu fühlen. Wer konnte es sein, der dieser liebreizenden scharfen Schnitte nachspionierte? Ein heimlicher Verehrer? Vermutlich. Oder ihr eifersüchtiger Freund? Hatte sie einen Freund? Mist, ich hätte sie fragen sollen.

Nun gut, so will ich mich auf den Weg machen, mich ins Dickicht des Bösen stürzen und im tiefen Gestrüpp der Lügen nach der Wahrheit wühlen. Dafür musste ich hellwach sein.

Also machte ich mir erst einmal einen Kaffee. Oh ja, einen Kaffee. Mit meinem Kaffeevollautomaten 900 sensor titan von WMF – natürlich aus Holz, Sonderanfertigung – lässt sich ein Aroma aus den frisch gemahlenen kolumbianischen Bohnen extrahieren, das die Leistung eines herkömmlichen Geräts weit in den Schatten stellt. Einfach überlegen. Genau das Richtige für einen Kerl wie mich.

Also dann. Das Koffein begann in meinem Blutkreislauf zu arbeiten. Ich war wach und hungrig, meine Sinne scharf wie die Klinge eines Samuraischwerts. Ich meine nicht so ein Touristenmitbringsel-Samuraischwert, das sich diese Möchtegern-Abenteurer nach ihrer Urlaubsrückkehr auf den Kaminsims stellen, sondern eher so ein richtig scharfes Schwert. Eben so eins, das die früher wirklich benutzt haben, diese Chinesen – oder Japaner? Na ja, Sie wissen schon, nä?

Einmal mehr machte ich mich auf den Weg. Ich zog die Haustür fest ran, rüttelte noch einmal kurz. Ja, die war zu. Ich würde ihn kriegen – dieses Früchtchen. Wollten wir doch mal sehen, ob diese niedrige, junge Frauen verfolgende Kreatur nicht aus ihrem Gebüsch aufzuschrecken sein würde. Ich wanderte entlang der großen Straße, warf meinen Blick links und rechts in die dunklen Gassen. Gestank drang aus diesen zwielichtigen Winkeln. Das ist der Geruch der Wahrheit. Hier würde ich gewiss finden, wonach ich suchte. Ich bog ein, Schritt für Schritt watete ich tiefer in den Morast des Verbrechens. Plötzlich ein Knall. Eine Katze heulte auf und rannte davon. Etwas hatte sie aufgeschreckt. Hinter einem Müll-Container tummelten sich große Schatten. Dumpfes Getuschel fremder Sprachen aus fernen Ländern komponierten Klänge von Verschwörung und Gewalt. Irgendwelche Hintermänner – vermutlich. Ich näherte mich ihnen ninjaleisen Fußes. Ich war auf alles gefasst. Nur nicht auf das, was jetzt geschah!

 

Kapitel I – Teil 1: Die ganz alte Schule

Dienstag, 16. Februar 2014, Stadt des Verbrechens, Deutschland

Das Telefon klingelte. *Ring* Ich schaute hinüber. Wer würde das wohl sein? *Ring* Ich zog genüsslich an meiner Zigarre. *Ring* Ich hob den Hörer ab. Der Qualm in meiner Lunge strömte durch meine Stimmbänder, trocknete sie aus. Tief und kratzig, reif und vollkommen sagte ich: “Privatdetektei Korek, Konrad Korek am Apparat. Ich bin Privatdetektiv.”

Wirres Gerede am anderen Ende. Eine hohe Stimme, sie kam mir bekannt vor. “Privatdetektiv? Junge, was machst du denn für Sachen? Du sollst dich doch nicht in Gefahr bringen, hörst du?!” Ich legte auf. Wieder einer dieser Telefonverkäufer – vermutlich.

Mein Name ist Korek. Aber meine Freunde nennen mich einfach Konrad. Einfach so. Vermutlich, weil das mein Vorname ist. Und “Korek” ist eben mein Nachname. Also für Sie bin ich Herr Korek. Oder Konrad. Ist mir scheißegal. Ich bin Detektiv. Privatdetektiv.

Ich bin jedenfalls ‘n rauer Zahn. Einer von der alten Schule, von der ganz alten Schule, na ja, Sie wissen schon, nä? Mir macht so schnell keiner was vor. Viele haben es versucht, alle sind gescheitert. Schau Dir nur mal mein Büro an. Alles ist aus Holz. Sogar die Schreibmaschine. Die hatte ich selbst gebaut. Schriftgrößen: 10, 12 und 15 mit einer Schreibleistung von elf Zeichen in der Sekunde. Sie besitzt ganze 45 Tasten mit Sonderdruck: Fett, Unterstreichung und eine Wortunterstreichung sind eingebaut, die maximale Papierbreite beträgt 330 Millimeter mit einer maximalen Schreibbreite von 229 Millimetern. Ein old school manueller Papiereinzug; Korrekturspeicher: 90 Zeichen – Ja! Ich wiederhole: Korrek – turspeicher, ein tolles Wort. Wie auch immer ich das geschafft habe, eine Korrekturspeicherung einzubauen. Zentrierfunktion. Dabei steht das gute Schätzchen auch zentral auf meinem Schreibtisch. Hmmm, das Radio auf dem Tisch rechts neben der Schreibmaschine ist ebenfalls aus Holz. Ein Jazz Sender – echt groovey – non stop, die ganze Zeit lief Bass Jazz. Was sonst? Diese Form der Musik verhilft meinem Beruf, meiner Tätigkeit als Privatdetektiv, zum richtigen Ausdruck. Authentizität, na ja, Sie wissen schon, nä?

Hinter mir übernimmt eine große Glasscheibe die Aufgabe einer Wand. Davor hängen Rollos, heruntergelassen, aber geöffnet. Scheibenweise schwebt der Staub dicht vom Licht verpackt in der Luft. Ich rauchte eine Edmundo-Zigarre; 13,5 Zentimeter lang, 2,06 Zentimeter dick. Das ist lang und das ist dick. Ihr mysteriöser Nebeldunstschleierrauch aus Qualm presst sich wuchtig durch die horizontalen Lichtschichten. Beeindruckend. Im hellen Bereich sehe ich wie der Rauch geradewegs gen Decke wälzt, dort wo ein Ventilator hängt, der schon lange nicht mehr funktioniert. Doch im Schatten ist all seine Gewalt versteckt. Also nicht die Gewalt des Ventilators, sondern des Rauchs. Er ist da, aber niemand sieht ihn, niemand rechnet mit ihm. Bis er zuschlägt, wieder verschwindet und wieder zuschlägt. Habe ich erwähnt, dass ich nachts arbeite?

 

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